Wie bewertet man ein Unternehmen, das nicht profitabel ist?

Auch ein nicht profitables Unternehmen kann substanziellen oder strategischen Wert besitzen. Die Wahl der passenden Bewertungsmethode hängt stark von der individuellen Situation ab: von der Vermögensstruktur, den Marktchancen und den Zielen der Eigentümer. Eine Kombination mehrerer Methoden bietet oft die größte Aussagekraft.
Geeignete Ansätze und Methoden, die Ihnen bei der Bewertung eines Verlustunternehmens weiterhelfen
Die Buchwert Methode
Dies ist eine häufig herangezogene und vergleichsweise leicht anwendbare Bewertungsmethode.
Was versteht man unter dem Buchwert?
Der Buchwert eines Unternehmens ist der rechnerische Wert des Eigenkapitals laut Bilanz – also die Differenz zwischen dem Gesamtvermögen und den Verbindlichkeiten. In der einfachsten Form ergibt sich:
Buchwert = Vermögenswerte – Schulden
Dabei werden sämtliche bilanzierten Aktiva (z. B. Maschinen, Immobilien, Vorräte, liquide Mittel) berücksichtigt, abzüglich der bestehenden Passiva (z. B. Kredite, Verbindlichkeiten gegenüber Lieferanten). Bei dieser Methode wird der Buchwert des Unternehmens ermittelt, indem das Eigenkapital (Gesamtwert der Vermögenswerte minus Schulden) berechnet wird. Dieser Ansatz kann nützlich sein, wenn das Unternehmen Vermögenswerte hat, die über den Verbindlichkeiten liegen.
Wann ist die Buchwert-Methode sinnvoll?
Gerade bei nicht profitablen Unternehmen kann der Buchwert ein erster Anhaltspunkt sein, insbesondere wenn:
- wertvolle Vermögenswerte vorhanden sind (z. B. Immobilien, Markenrechte, Maschinenparks)
- das Unternehmen nicht als „Going Concern“ (also als nicht fortzuführend) betrachtet wird – z. B. bei geplanten Liquidationen, Verkäufen von Einzelteilen oder im Sanierungsfall.
- ein stabiler Substanzwert gegeben ist, unabhängig von aktuellen Erträgen
Wichtige Hinweise zur Anwendung:
Die Methode sagt nichts über die Ertragskraft oder das zukünftige Potenzial des Unternehmens aus.
Der Bilanzwert spiegelt oft nicht den tatsächlichen Marktwert wider. Vermögenswerte wie Immobilien oder Maschinen können entweder unter- oder überbewertet sein. Eine Anpassung auf Zeitwertbasis ist empfehlenswert.
Immaterielle Vermögenswerte wie Marken, Kundenstämme oder Know-how sind oft nicht oder nur teilweise bilanziert – sie bleiben bei der reinen Buchwert-Methode unberücksichtigt.
Substanzwertmethode
Was ist mein Unternehmen „in Einzelteilen“ wert – ohne auf Gewinne zu schauen?
Die Substanzwert-Methode betrachtet den Wert der materiellen und immateriellen Vermögenswerte, die dem Unternehmen zur Verfügung stehen – unabhängig davon, ob aktuell Gewinne erzielt werden oder nicht. Sie eignet sich besonders dann, wenn betriebliche Substanz vorhanden ist, aber die Ertragslage schwach ist.
Was ist der Substanzwert?
Der Substanzwert gibt an, was es kosten würde, ein identisches Unternehmen heute neu aufzubauen – also mit denselben Vermögenswerten, an derselben Stelle, mit vergleichbarer Ausstattung.
Unterschieden wird dabei zwischen:
- Reproduktionswert: Was kostet es, die vorhandene Substanz gleichwertig wiederherzustellen?
- Liquidationswert: Was bringt der Verkauf der Substanz auf dem Markt (siehe separate Methode)?
Substanzwert = Zeitwert aller betriebsnotwendigen Vermögenswerte – Schulden
Die betriebsnotwendigen Vermögenswerte können zum Beispiel Grundstücke, Gebäude, Maschinen, der Fuhrpark, Vorräte, technisches Equipment, Software, Patente, Marken (sofern bewertbar), etc. sein. Nicht berücksichtigt werden der Kundenstamm, das Geschäftsmodell oder das Know-how – sofern diese nicht handelbar sind.
Wann ist die Substanzwert-Methode sinnvoll?
- Zur Mindestwertbestimmung, falls keine nennenswerte Ertragskraft vorhanden ist
- Bei nicht ertragsfähigen Unternehmen mit wesentlicher Substanz (z. B. Produktionsbetriebe, Immobilieneigentümer, technische Dienstleister)
- In der Sanierungs- oder Verkaufsvorbereitung, wenn das Unternehmen ggf. zerschlagen oder schrittweise veräußert wird
Besonderheiten & Herausforderungen:
Immaterielle Werte werden oft nicht oder nur schwierig erfasst – insbesondere bei nicht börsennotierten Firmen.
Reine Bilanzwerte sind oft nicht marktgerecht – eine Bewertung zu Zeitwerten ist zwingend.
Nutzlose oder veraltete Vermögenswerte (z. B. überdimensionierte Anlagen) müssen ggf. abgeschrieben werden.
Die Substanzwert-Methode liefert eine sachlich fundierte Bewertungsbasis für Unternehmen mit realwirtschaftlicher Substanz – besonders dann, wenn kein oder nur eingeschränktes Gewinnpotenzial besteht. Sie eignet sich gut als untere Bewertungsgrenze, ersetzt aber keine ertrags- oder marktorientierte Betrachtung, wenn Zukunftspotenzial besteht.
Die Liquidationswert Methode
Wie viel ist mein Unternehmen wert, wenn es abgewickelt werden müsste?
Wenn ein Unternehmen nicht profitabel ist, stellt sich häufig die Frage: Was bleibt übrig, wenn ich das Geschäft einstelle und alle Vermögenswerte veräußere? Die Liquidationswert-Methode gibt darauf eine klare, wenn auch eher konservative Antwort.
Was bedeutet „Liquidationswert“?
Der Liquidationswert ist der geschätzte Erlös, den man erzielen könnte, wenn sämtliche Vermögenswerte des Unternehmens verkauft und mit dem Erlös alle bestehenden Verbindlichkeiten beglichen würden – also quasi der „Restwert“ des Unternehmens im Fall einer Auflösung.
Er ist typischerweise niedriger als der Buchwert, da bei einer schnellen Liquidation häufig nur Notverkaufspreise erzielt werden.
Liquidationswert = realistischer Verkaufserlös aller Vermögenswerte – Verbindlichkeiten – Abwicklungskosten
Wann ist die Liquidationswert-Methode sinnvoll?
Diese Methode ist besonders relevant in folgenden Situationen:
- Bei Nachfolge- oder Verkaufsüberlegungen, wenn potenzielle Investoren den Mindestwert des Unternehmens abschätzen möchten.
- Wenn das Unternehmen langfristig keine Erträge mehr erwarten lässt oder sich kein Käufer für den Geschäftsbetrieb als Ganzes findet.
- In Insolvenzszenarien, bei Sanierungsfällen oder als Worst-Case-Szenario in der strategischen Planung.
Faktoren, die Sie berücksichtigen sollten
Schätzen Sie die Verkaufserlöse realistisch ein. Maschinen oder Vorräte bringen auf dem freien Markt oft weniger als ihr Buchwert. Immobilien können hingegen höhere Werte erzielen.
Der Zeitfaktor spielt eine Rolle: Je schneller liquidiert werden muss, desto geringer sind meist die Verkaufserlöse.
Berücksichtigen Sie Abwicklungskosten (z. B. Makler, Rechtsberatung, Personalabbau, Vertragsauflösungen).
Beachten Sie die steuerlichen Aspekte bei der Auflösung von stillen Reserven.
DCF-Methode (Discounted Cash Flow)
Kann mein Unternehmen trotz Verlusten heute einen Zukunftswert haben?
Die Discounted-Cashflow-Methode (kurz: DCF) ist eine der am häufigsten eingesetzten Verfahren zur Unternehmensbewertung – besonders bei Unternehmen, die als fortführungsfähig gelten und über ein zukünftiges Wertpotenzial verfügen, auch wenn sie aktuell keine Gewinne erwirtschaften.
Die Grundidee: Der Wert eines Unternehmens bemisst sich nach den zukünftigen finanziellen Überschüssen (Cashflows), die es für seine Eigentümer erwirtschaften kann. Diese zukünftigen Cashflows werden mit einem sogenannten Diskontierungszinssatz (oft basierend auf den Kapitalkosten) auf ihren heutigen Gegenwartswert abgezinst.
Wert des Unternehmens = Barwert der zukünftigen Cashflows
Dabei gilt: Je risikoreicher und unsicherer die Zukunftserträge, desto höher der Diskontierungszinssatz – und desto niedriger der heutige Unternehmenswert.
Anwendung bei nicht profitablen Unternehmen:
Auch wenn aktuell keine Gewinne oder sogar Verluste erwirtschaftet werden, kann die DCF-Methode sinnvoll sein, wenn:
- eine Wende in der Geschäftsentwicklung realistisch planbar ist (z. B. durch Restrukturierungen, neue Produkte oder Markterschließung),
- es ein nachvollziehbares Zukunftsszenario mit positiven Cashflows gibt,
- Investoren oder Eigentümer eine langfristige Perspektive einnehmen.
In diesen Fällen wird typischerweise ein sogenanntes „Ramp-Up-Szenario“ gerechnet: Die ersten Jahre zeigen negative oder niedrige Cashflows, bevor sich eine nachhaltige positive Entwicklung einstellt.
Herausforderungen & Fallstricke der DCF Methode
Der Kapitalisierungszinssatz ist entscheidend: Der gewählte Zinssatz muss das Risiko angemessen widerspiegeln – eine zu optimistische Annahme führt schnell zu überhöhten Werten.
Hohe Abhängigkeit von Annahmen: Umsatzwachstum, Margen, Investitionen, Marktentwicklung – kleine Änderungen können große Auswirkungen auf den Wert haben.
Planungsunsicherheit: Bei nicht profitablen Unternehmen ist die Prognose naturgemäß riskanter. Sensitivitätsanalysen sind daher unerlässlich.
Marktwert-/Multiplikator-Methode
Was zahlen andere für vergleichbare Unternehmen – auch wenn diese aktuell keinen Gewinn machen?
Die Marktwert- oder Multiplikator-Methode basiert nicht auf den eigenen Unternehmensdaten, sondern auf dem, was am Markt gezahlt wird – zum Beispiel bei Unternehmensverkäufen, Übernahmen oder Börsengängen. Sie ist praxisnah und orientiert sich an realen Transaktionen.
Unternehmenswert = Multiplikator × Bezugsgröße
Es werden branchenübliche Multiplikatoren verwendet, die bei einer kürzlich erfolgten Transaktion eines vergleichbaren Unternehmens beobachtet werden konnten. Die Multiplikatoren beziehen sich im Fall von nicht profitablen Unternehmen typischerweise auf den Umsatz oder branchenübliche Kennzahlen.
Anwendung bei nicht profitablen Unternehmen:
Die Methode ist besonders hilfreich, wenn:
- das Unternehmen z. B. durch Kundenbasis, Plattformeffekte oder Skalierungspotenzial attraktiv ist
- keine Gewinne, aber relevante Umsätze oder Marktanteile vorhanden sind
- vergleichbare Deals in der Branche bekannt sind (z. B. durch M&A-Berater, Datenbanken, Branchenreports)
Was sind die Chancen & Risiken dieser Methode?
Die Vergleichbarkeit ist kritisch: Ein passender Branchenvergleich ist entscheidend – Unterschiede in Geschäftsmodell, Größe oder Region können die Aussagekraft stark beeinflussen. Besonders im Fall von kleineren Unternehmen, wo nur selten Zahlen veröffentlicht werden, kann es schwierig sein, verlässliches Zahlenmaterial zu erhalten.
Sind Zahlen verfügbar, besticht diese Methode durch Marktnähe: Die Werte basieren auf realen Käufen und sie spiegeln den tatsächlichen Zahlungswillen wider.
Hohe Volatilität: Multiplikatoren können je nach Marktphase stark schwanken
Die Wahl der Methode hängt von der individuellen Situation des Unternehmens, seiner Branche und den verfügbaren Informationen ab.
Übersicht: Welche Methode wann?
Unternehmenssituation | Empfohlene Methode(n) |
---|---|
Substanz vorhanden, keine Erträge | Substanzwert, Buchwert, Liquidationswert |
Keine Zukunftsperspektive | Liquidationswert |
Sanierungs- oder Turnaround-Szenario | DCF, ergänzend Substanzwert |
Hoher Marktwert durch Kunden, Plattform, Marke | Multiplikator-Methode, ggf. DCF |
Geschäftsaufgabe geplant | Liquidationswert, Substanzwert |